„Ich will doch nicht wissen, wie du heißt!“
Was sich nach einer netten Anekdote anhören könnte, ist mir wirklich so passiert. Vergessen habe ich es nie und verstanden erst viel später.
In den 70er Jahren im Herrensalon irgendwo im Kreis Borken:
Mein Zwillingsbruder und ich sitzen im Herrensalon und warten auf unseren Haarschnitt. Den Friseurmeister durften wir duzen; Termine wurden nicht gemacht und alle warteten im Schatten der aktuellen Bundesligatabelle an der Wand bis sie an der Reihe waren. Manchmal boten uns die Männer 50 Pfennig an, damit wir sie vorließen. Dabei kam es einmal zu folgender Begegnung:
„Wer bist du?“ Der erwachsene Kunde kannte uns nicht.
„Ich bin Michael Kock!“
„Ich will doch nicht wissen, wie du heißt. Ich will wissen wer du bist!“
Ich schaue meinen Bruder verblüfft an.
„Wer sind denn eure Eltern?“
„Hans und Maria Kock.“ Wir ahnen bereits die Blockade.
„Iken Drecker ist unsere Mutter, von der Kirchstraße.“
„Sagt das doch gleich! Lasst ihr mich vor?“, sagt dieser Mann und legt uns 50 Pfennige hin.
Wissen müssen, woher jemand kommt! Sein Gegenüber möglichst einfach einordnen können. Vielleicht verständlich, aber nicht selten unzureichend.
Daran muss ich fast immer denken, wenn es hier und da ums Vorstellen geht. Ja, wirklich! Und in der Regel sage ich nie, wie ich heiße, sondern immer, wer ich bin. „Ich bin Michael.“ So bin ich getauft!
Und auch auf so mancher Beerdigung werden Verse aus dem Buch Jesaja (49,15f.) als tröstende Zusage zitiert: „…ich vergesse dich niemals! Unauslöschlich habe ich deinen Namen auf meine Handflächen geschrieben, … “
Ich bin viel mehr als meine Herkunft! Du auch! Ich komme sehr gerne aus der Kirchstraße, von der Iken Drecker und vom Hans.
Aber die Frage „Wer bist du!“ eröffnet uns so viel – Ungeahntes!
Viel Freude beim nächsten Mal, wenn du dich vorstellen wirst. Vielleicht gibt´s ja auch 50 Pfennig „Schmerzensgeld“.