„Ich weiß, dass ich nicht weiß.“ (Sokrates)
Langsam erfahren wir zurzeit, dass manche Öffnungen unseren Alltag wieder zu verändern beginnen. Manchen gehen diese Lockerungen nicht schnell genug, einige wiederum verharren aus Unwissenheit in Angst und andere machen sich wenige oder keine Gedanken und befolgen das, was Politik und Verwaltung entscheiden. Zurzeit spreche ich natürlich mit anderen über die momentane Situation in der „Coronazeit“. Oft nehme ich Meinungen und Haltungen wahr, die ich teilweise nicht verstehe bzw. nachvollziehen kann. Bei Nachfragen meinerseits realisiere ich, dass meine Gesprächspartner*innen sich oft auf jemanden beziehen, dem sie Kompetenz zuweisen und dem sie vertrauen. In zwei Gesprächen mit mir vertrauten Menschen habe ich nicht nur nachgefragt, sondern auch ihre Meinung infrage gestellt. Als Ergebnis dieser Gespräche habe ich für mich festhalten:
- Ich selber mache es oft genauso, wenn ich keine Ahnung habe. In unserer komplexen Welt gibt es viele unterschiedliche Fragestellungen, dass ich unmöglich alles selber herausfinden und belegen kann. Wenn ich etwas nicht weiß, sage ich das meist nicht, sondern übernehme eine Meinung von jemandem, dem ich in dieser Fragestellung vertraue.
- Wenn sich zwei Menschen mit einer Meinung konfrontieren, die sie von anderen Menschen übernommen haben, wird das Gespräch schnell ungemütlich. Beide haben wenig Ahnung und führen eine Auseinandersetzung, die schnell emotional wird. Möglicherweise ist die adaptierte Meinung falsch und es zeigt sich meine komplette Ahnungslosigkeit: welche Peinlichkeit!
- Ich werde mich bemühen, zukünftig nur das zu vertreten, was ich wirklich weiß. Sollte ich mich dennoch gezwungen fühlen, meine Meinung über Dinge kundzutun, die ich nicht wirklich weiß, dann werde ich versuchen, diese vorab im Bewusstsein zu formulieren und zu vermitteln, dass es auch anders sein und dass meine Meinung jederzeit revidiert werden kann.
Sokrates wird der Satz zugeschrieben: „Ich weiß, dass ich nicht [sic!] weiß.“ (1) Wiewohl er von seinen Mitmenschen als ein kluger und weiser Mann angesehen wurde, war ihm klar, dass einem Menschen nur wenig eigenes Wissen sicher ist. Diese Haltung ist für mich bewundernswert.
Dietmar Prielipp, Geistlicher Leiter
Hinweis
Es kostet Kraft und Aufmerksamkeit, die eigene Kommunikation und die der Menschen daraufhin zu überprüfen, wie „authentisch“ die geäußerte Meinung ist und wie sehr sie auf Verstehen und Wissen beruht. Doch es lohnt sich, weil dadurch weniger Konflikte entstehen.
(1) Wikipedia