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Aus dem Leben im Homeoffice

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„Brückentag“

„Aha, das ist also dein Schreibtisch“, kommentierte ich die Tage provokant den alten Nähmaschinentisch mit einem Laptop, als ich bei einer Bekannten – Grundschullehrerin von Beruf – zu Gast war. Doch die witzige Pointe erwies sich leider als Fettnäpfchen: Ja, das sei tatsächlich momentan ihr Schreibtisch, denn normalerweise versuche sie, alles in der Schule zu erledigen. Nur so gelinge es ihr, Arbeit und Freizeit einigermaßen auseinander zu halten. „Sonst hast du ja nie Feierabend.“

„Nie Feierabend“ – das Gefühl kenne ich auch, habe es aber normalerweise ganz gut im Griff. Dienstliche E-Mails landen schon lange nicht mehr auf meinem Handy und Whatsapps kann ich auch ganz gut ignorieren (nicht nur am Feierabend…). Aber im Homeoffice fällt es mir zunehmend schwerer. Zuhause kann ich nicht „durcharbeiten“, da muss ich Kinder scheuchen, Obst schnibbeln, Fragen beantworten und Aufgaben erklären, Mittagessen kochen, Gemecker ertragen, den Fernseher abstellen und wieder Kinder scheuchen. Arbeite da mal konzentriert an einer Sache.

Und die Kinder? Die haben ihre Aufgaben. Müssen mit allem alleine klarkommen, haben nicht das „wir lehnen uns mal zurück und lassen den Lehrer erklären“, können nichts gemeinsam mit den Klassenkamerad*innen erarbeiten, müssen jede einzelne Frage alleine und selbst beantworten, müssen sich selbst motivieren und am besten die ganze Zeit dabei still sitzen. Dabei werden sie abgelenkt vom Lieblings-Kuscheltier, von Lego, Barbie, der Eiskönigin-CD und vielen, vielen anderen Bastel- und Spielsachen. Jedes unserer Kinder hat ein eigenes Zimmer mit einem eigenen Schreibtisch. Nur wird der normalerweise zum Malen und Basteln benutzt, denn Hausaufgaben machen unsere sonst in der OGS. Der Große hat sogar keine Hausaufgaben, weil er zur Ganztagsschule geht. Und als einzige Ansprechpersonen stehen nun ausgerechnet nur Mama oder Papa zur Verfügung. Nicht der Tischnachbar, nicht die Freundin, nicht der/die Lehrer*in und auch keine OGS-Erzieherin. Nur Mama und Papa, den ganzen Tag ohne Pause.

Gestern war Feiertag. Vatertag. Ich bekam Frühstück ans Bett. Wir haben mittags gegrillt und nachmittags im Garten gearbeitet, später was gespielt. Familie halt.

Heute ist „Brückentag“.  Ein kaputter. Meine Frau ist im Büro, denn „ihr“ zweiter Bürotag diese Woche wäre gestern gewesen, und ihr Schreibtisch im Büro ist auch voll. Die Kinder sind bis Mittwoch mit ihren Wochenaufgaben nicht fertig geworden. Sie mussten also auch wieder ran. Gerade habe ich mal vorsichtig gefragt, ob sie nicht mal langsam wieder an den Schreibtisch müssten. Nur, dass ich mich wohl weniger vorsichtig als genervt angehört habe.

Wenn Arbeit oder Schule einerseits und Freizeit und Familie andererseits nicht mehr zu trennen sind, werden wir alle – Kinder wie Eltern – auf Dauer daran zerbrechen.

Peter Witte

Ich fordere – und das meine ich genau so, wie ich es sage! – um das seelische Wohl meiner und vieler Familien willen: Ein geregelter Schulbesuch muss schnellstmöglich und spätestens am 12. August nach den Sommerferien wieder eingeführt werden.