Familien zelteten am Eyller See
Kein. Einziger. Tropfen. Gab es das jemals in der Geschichte der Familien-Zelt-Wochenenden? Die Organisatoren vom Arbeitskreis Familie jedenfalls konnten sich nicht erinnern, jemals ein ganzes Zeltwochenende ohne Regen erlebt zu haben. Nun war es soweit.
Bei strahlendem Sonnenschein – Sonnencreme war quasi Pflicht – rollt der Transporter am Freitagmittag auf den Jugendzeltplatz des Kreises Kleve am Eyller See in Kerken. Der Boden so hart, dass der Wagen bis vors große Gruppenzelt vorfahren kann, so dass das Ausladen der knapp 30 Euroboxen mit Bastelmaterial, Lebensmitteln und Küchenutensilien ein Klacks war. Den Platzwart Oliver Hofmann freundschaftlich begrüßen und die letzten Absprachen – was geht und was geht nicht – treffen und dann die eigenen Zelte aufbauen. Zwischendurch immer wieder der Blick in den Himmel richten: keine Wolke zu sehen. Erinnerungen kommen auf an Kinder in Matschhosen, die im Schlamm hüpfen und bis ins selig lachende Gesicht besprenkelt sind mit Dreck. Dieses Jahr wird anders.
Als die Familien kommen – neun sind diesmal dabei – sind alle gut gelaunt und freuen sich auf die Auszeit in der Natur. Der eine oder andere fegt zunächst den Waldboden, damit kein Ästlein von unten gegen den Zeltboden drückt und den Schlaf einer Prinzessin auf der Erbst stören könnte. Vereinzelt sieht man Feldbetten und selbstaufblasende Luftbetten – sind wir bereits im Bereich „Glamping“? Doch es wird ernst. Wir sind in der Natur. Wir brauchen Feuer. Kinder bekommen die Aufgabe, das Feuer zu entfachen – mit einem Feuerstahl. Was auf Youtube bei „7 vs. Wild“ so einfach aussieht, entpuppt sich als langwierige Challenge. Am Ende gelingt es doch und ein großes Lagerfeuer wärmt bei einbrechender Dunkelheit Klein und Groß. Zugleich gibt es Gegrilltes – Fleisch und auch einiges an Gemüse – zur abendlichen Stärkung. Der Tag klingt aus und allmählich legt sich Ruhe über den Zeltplatz, während von Ferne Livemusik vom nahen See herüberschallt. Es ist Nacht.
Am nächsten Morgen schleicht eine Gestalt um unser Zelt. Aus den müden Augen nehme ich ohne meine Brille nur Schemen wahr, schaue auf die Uhr und bin sicher: Das wird Iris sein – Leiterin des Arbeitskreises und traditionell morgens die Erste auf den Beinen. Ihr Job: Sie holt die frischen Brötchen vom Bäcker im nahen Aldekerk. Also raus aus dem Schlafsack und rein in den Morgen – Kaffee kochen, duschen, anziehen – in der Reihenfolge. Einer nach dem anderen reckt sich und streckt sich und erscheint auf dem Platz. Frühstück. Dann geht’s los: Nach einem kleinen „Warming Up“ – einem Spiel zum allgemeinen Wachwerden geht es ans Basteln. „Hilfe, die Gallier kommen!“ lautet das Motto – und die Gallier müssen nun ausgestattet werden: mit einem Kurzschwert, einem Schild, einem Säckchen voll Gold (oder Spielsteinen) und einem beflügelten Helm. Eifrig, wie Gallier bekanntlich sind, machen sich die jungen Krieger ans Werk, sorgsam begleitet und unterstützt durch die Schutzmacht der Römer, in diesem Fall der Eltern. Bis weit in die Mittagspause wird nun gewerkelt, gebastelt und gemalt, bis am Ende alle perfekt ausgestattet sind.
Der Nachmittag steht im Zeichen der „Tour de France“ – auf Deutsch etwa „Rallye über den Zeltplatz“, bei der sich die gallischen Gruppen vor Herausforderungen wie Speerwerfen, Zaubertrank-Transport, Wagenrennen oder Hinkelstein-Weitwurf gestellt sehen. Und obwohl natürlich der olympische Gedanke – dabei sein ist alles – gilt, fühlen sich die Gallier in ihrer Ehre gepackt und laufen zur Höchstleistung auf: So kennt die Siegerehrung am Abend denn auch keine Verlierer.
Apropos Abend: Hier wird es noch einmal ernst beim großen Wettstreit der Römer (Eltern) gegen die Gallier (Kinder). Ein Kopf-an-Kopf-Rennen liefern sich die Kontrahenten durch fünf Disziplinen, um am Ende doch die Gallier – knapp aber mehr als verdient – als eindeutige Sieger hervorzubringen. Gefeiert wird gemeinsam am erneut mit Feuerstahl entzündeten Lagerfeuer, wobei sich nach kurzer Zeit ein Sangeswettstreit erhebt, der Jung und Alt noch einige Zeit in vereinter Runde mit Lachen und Herzlichkeit zusammenhält. Erst spät in der Nacht kehrt Ruhe und damit ein weiterer Tag in die Geschichte ein.
Der letzte Tag bricht an – der Sonntag. Um 8.30 Uhr schallt der Ruf „Frühstück“ über den Platz und ruft alle zum gemeinsamen Mahl – wie alle Mahlzeiten durch die treue Mithilfe aller Teilnehmer bereitet, wofür auch an dieser Stelle noch einmal Dank ausgesprochen sein soll! So gestärkt geht es an einen letzten Wettkampf: das Römer-Stratego, eine Art „Capture the flag“ mit eigenwilligen Regeln und einer Dynamik, die dazu führt, dass insbesondere die Kinder noch einige Runden „dranhängen“ werden. Zunächst jedoch kehrt Ruhe ein zum gemeinsamen Gottesdienst. „Wie das wohl wird, beim Jupiter!“, sagen die einen. „Hauptsache, uns fällt der Himmel nicht auf den Kopf, beim Teutates“, sagen die anderen. Aber Michael Kock, Geistlicher Leiter des Kolpingwerkes, bringt eine noch ältere Geschichte mit, in der ein kleines Volk einer Übermacht gegenübersteht – so wie unsere Gallier einst den Römern. Ein kleiner Mann traut sich und tritt gegen den Riesen an im Vertrauen auf Gott. Und er wird nicht enttäuscht. David heißt der Mann und besiegt den Goliath. Der Glaube stärkt wie ein Zaubertrank.
Der Gottesdienst mit seinen Liedern setzt den Schlusspunkt des Wochenendes. Ein Mittagessen noch, das gemeinsame Aufräumen und dann das Abschiednehmen um halb drei am Nachmittag. Vermutlich werden die heimischen Badewannen an diesem Nachmittag gut gefüllt sein, ebenso wie die Waschmaschinen – diese „Nacharbeit“ gehört auch dazu, und doch bleibt die Erinnerung an ein Wochenende Freiheit und Auszeit zurück. Danke allen Organisatoren, danke allen Helfern und auf ein Wiedersehen im kommenden Jahr!!
Peter Witte