Gedanken zum Holocaust-Gedenktag
„Januar 1942, ich wohne in einem kleinen Nest am linken Niederrhein. Mitten im Krieg. Hier merkt man nicht viel davon – nur mein Mann ist seit August 1939 Soldat. Wir haben zwei Kinder, das dritte ist unterwegs, es soll in vier Monaten zur Welt kommen. Die Kinder haben ihren Vater nur jeweils 1 x mal im Jahr gesehen. Er hatte bisher jeweils 10 Tage Heimaturlaub, kam aus Frankreich und wurde jetzt nach Russland geschickt.
Ich habe seit Wochen Angst, einige Nachbarsfamilien sind abgeholt worden. Es waren Juden. Niemand weiß, wohin sie gekommen sind. Die Wohnungen sind inzwischen „von Staatswegen“ geräumt, es wohnen neue Leute darin.
Ich habe einen Brief von der Gemeinde erhalten. Ich muss nachweisen, dass ich „arisch“ bin. Ich habe dunkle Haare und braune Augen und einen dunklen Teint. Ich habe alle Fragen beantwortet und warte auf den Nachweis…..aber mir ist schlecht, wenn ich daran denke.
Es klingelt! Vor mir steht die SS. „Packen sie ein paar Sachen und ihre Kinder. Sie haben 10 Minuten Zeit!“
Hilfe – was mache ich jetzt? Ich kann niemanden Bescheid geben! Wohin bringen sie mich? Meine Kinder!!“
So ist es in Deutschland und Europa mehr als 6 Millionen Menschen ergangen. Alles Einzelschicksale: Hochschwangere, hilflose Alte, Kranke. Sie wurden ohne Rücksicht auf Lastwagen und in Güterwaggons verladen, zusammengepfercht, nur Platz zum Stehen, ohne Essen, Trinken und Toiletten. Wie Tiere! Bei Ankunft im KZ haben manche schon den Transport nicht überlebt.
„Die Erinnerung darf nicht enden. Sie muss auch künftige Generationen zur Wachsamkeit mahnen.“ Mit diesen Worten erklärte der damalige Bundespräsiden Roman Herzog 1996 den 27. Januar zum zentralen Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus. 2005 beschloss die Generalversammlung der Vereinten Nationen, den Tag international zum Holocaust-Gedenktag zu machen.
Warum der 27. Januar? Am 27. Januar 1945 befreiten sowjetische Soldaten das Vernichtungslager Auschwitz. Im Hauptlager in Auschwitz, das auf einem ehemaligen Barackengelände der polnischen Armee errichtet worden war, belief sich die Zahl der Insassen zeitweise auf mehr als 20.000. Dazu kamen mehr als 90.000 Häftlinge, die in dem weit größeren Lager im drei Kilometer entfernten Birkenau eingepfercht waren. In Auschwitz wurden bis kurz vor der Befreiung schätzungsweise 1,1 Millionen Menschen grausam ermordet. Diese Menschen wurden vergast, zu Tode geprügelt, erschossen oder sind an Krankheiten und Hunger gestorben.
Insgesamt starben in den Konzentrationslagern ca. 7 Millionen Menschen: Juden, Sinti und Roma, Homosexuelle, geistig behinderte Menschen, politisch und religiös Andersdenkende, Widerstandskämpfer.
„Alle Menschen sind frei und gleich an Rechten geboren!“
Wenn ich abends vor dem Fernsehen sitze und die Nachrichten höre, beschleichen mich oft Hilflosigkeit und Angst. Es sind aber nicht nur die kriegerischen Auseinandersetzungen in der Welt, die mich ängstigen, es sind inzwischen auch die polemischen, machtstrotzenden Worte deutscher Politiker, die dem abgewählten amerikanischen Präsidenten in nichts nachstehen. Es gibt hier bei uns Parteien, die mir Angst einjagen. Die polemisieren, die rechtes Gedankengut pflegen. Und leider finde ich jetzt auch schon in meinem Bekanntenkreis Menschen, die sich vorstellen können, von diesen Parteien regiert zu werden, oder die zumindest die Art und Weise zu sprechen, gut finden.
Ich bin in der Nachkriegszeit geboren. Als ich jugendlich war, wurden am Sonntag- nachmittag die Filme über den Holocaust gezeigt. Ich schämte mich, Deutsche zu sein!
Hat nicht das „Dritte Reich“ auch ganz harmlos mit rechtem Gedankengut begonnen? – Wir Christen dürfen diese „Welle“ nicht hinnehmen, vor Gott sind alle Menschen gleich. Er hat jeden in seiner Eigenartigkeit geschaffen. Warum sollte ich da privilegiert sein, weil ich in Deutschland geboren bin.
Den Holocaust-Gedenktag sollten wir nutzen, bewusst hinzuhören und immer wieder gegen Fremdenfeindlichkeit einzutreten. Bewegen wir uns endlich aus der schweigenden Masse heraus und zeigen wir selbstbewusst unser Christ-sein.
Maria Taube