St. Martins-Umzüge wird es wohl weitergeben, auch wenn sich weniger Menschen als Christen verstehen oder Mitglied einer Kirche sind. Viele verbinden damit schöne Kindheitserinnerungen an Laternen, Stutenkerl, bunte Feuer und Lieder. Besonders die Szene, in der der Soldat auf dem großen Pferd seinen Mantel mit dem frierenden Bettler am Boden teilt.
Ich bin heute noch irgendwie ergriffen, wenn ich diese nachgestellte Szene mitbekomme wie damals bei den Umzügen meiner Kinder. Wie die Kinder oftmals lauthals das Martinslied gesungen haben, das vielmehr als nur vier Strophen hat: Nach der Mantelteilung begegnet Martin im Traum Jesus, so dass er zum christlichen Glauben gefunden hat und sogar am Ende noch Bischof wird.
Würde man die Geschichte von Martin und dem Bettler als Kinofilm drehen, habe ich ganz bestimmte Szenen im Kopf: Die Augen von Martin, als er den Bettler sieht; der Blick und Hilferuf des Bettlers; der Moment der Entscheidung; wie das Schwert den Mantel teilt. In meinem Kinofilm steigt Martin vom Pferd und begibt sich auf Augenhöhe und legt dem Bettler seinen Mantel um. Es gibt einen erneuten Blickkontakt, eine Geste der Dankbarkeit und ganz sicher eine Geste von menschlicher Nähe wie eine kleine Berührung. Am Ende zwei sichtlich veränderte Menschen, die gerettet wurden. Der eine musste nicht erfrieren und der andere hat seinen Glauben gefunden. Es war also nicht allein Rettung, sondern ebenso eine menschliche Begegnung. Nähe! Den Menschen sehen und seine Not. Und dann wirklich helfen.
Wir müssen für solche Begegnungen offenbleiben und sorgen, damit wir beherzt helfen können. Wir haben von Kolping Deutschland/International einen besonderen Bezug zu Kolping in der Ukraine und schicken Hilfsgüter. Und wenn unser ukrainischer Kolpingbruder Vasyl in einer Videobotschaft zu uns auf der Bundesversammlung spricht, lässt das die Nähe entstehen, die wir beidseitig brauchen. Die einen, damit sie diesen Krieg überstehen und die anderen, damit sie in ihrer Hilfe stark und treu bleiben.
Und wenn ich jetzt zum Schluss schreibe „Wir brauchen mehr Nähe!“, dann ist dann keine Gefühlsduselei. Es fängt mit „Gefühl“ an, meint aber viel mehr.
Du hast mich verstanden, oder?
Treu Kolping

